Internationales Social Media Marketing: 6 Aspekte die den Erfolg bestimmen
Auch wenn viele es versuchen: Internationales Social Media Marketing kann und darf sich nicht darauf beschränken, die im Heimatland erfolgreichen Social Media-Aktivitäten einfach nur in die jeweilige Landessprache zu übersetzen. Internationale Verbindungen sind zwar oft mit nur einem Klick erreichbar. Darüber darf jedoch eines nicht übersehen werden: In anderen Ländern herrschen nicht nur andere sprachliche Sitten, sondern auch andere kulturelle und vor allem andere Online-Sitten.
Viele Unternehmen, die versuchen, nach dem lokalen Markt auch den globalen Markt zu erobern, denken dabei vor allem an die Möglichkeiten des Web 2.0. Dieses wird meist auf Social Media reduziert, und dabei wird wieder auf die hierzulande gängigen Zugpferde Facebook und Twitter gesetzt. Doch wer international erfolgreich sein will, muss die jeweiligen nationalen Spielregeln kennen und beherrschen – sowohl im Hinblick auf die reale als auch im Hinblick auf die virtuelle Welt.
Nationale Sprachkultur
Auch wenn viele Menschen die gleiche Sprache benutzen, heißt dies nicht, dass sie die gleiche Sprache sprechen. Sprachliche Unterschiede lassen sich hierzulande bereits innerhalb von Regionen, Altersgruppen, Bildungsgruppen, Geschlechter und ethnischen Zugehörigkeiten ausmachen, und sie gehen weiter über die Landesgrenzen hinaus, auch wenn es sich um die gleiche Sprachgemeinschaft handelt.
Über die sprachlichen Unterschiede zwischen Deutschen, Österreichern und Schweizern wird gerne gewitzelt, und irgendwie findet jeder den anderen auch sympathisch. Dies kann jedoch sehr schnell umkippen, wenn Nutzer (gleich potenzielle Kunden) sich sprachlich nicht mehr angesprochen fühlen.
- Schweizer Biker möchten Pneus kaufen und keine Reifen.
- Österreicher nützen (statt nutzen) das Internet, und weiters (weiter) ist ihnen ebenfalls sehr an ihrer Sprachidentität gelegen.
Solche Details gilt es zu wissen und im internationalen Social Media umzusetzen. Erst dies gibt dem Nutzer die Chance, sich mit den Inhalten und Kampagnen identifizieren zu können.
Dass ähnliche Strukturen auch in anderen Sprachen existieren (und tunlichst zu beachten sind), ist zumindest ansatzweise aus der Unterscheidung American English und British English bekannt. Und auch hier ist die Problematik komplexer, als die reine Unterscheidung in AE und BE vermuten lassen.
Allgemeine kulturelle Aspekte
In jeder Kultur gibt es bestimme kulturelle Übereinkünfte, die oft im Laufe der Jahrhunderte entstanden und tradiert wurden und die unter Umständen erheblich von den Traditionen im eigenen Land des international aufstrebenden Unternehmens abweichen können.
- Farben werden unterschiedlich interpretiert. Das in unseren Breitengraden gängige Weiß für Reinheit und Unschuld gilt in China als Farbe der Trauer.
- Der erhobene Daumen, Kultsymbol für alle Facebook-Anwender, gilt in Australien, auf Malta oder im arabischen Raum als sehr rüde Geste. Dies hat auch schon so mancher Tramper leidvoll erfahren müssen.
- In Bulgarien werden Kopfnicken und Kopfschütteln genau umgekehrt interpretiert als etwa in Deutschland – dies wäre zum Beispiel für ein Real-Video oder Whiteboard-Video zu berücksichtigen. Auch in Nordgriechenland, Finnland, Sri Lanka und Indien gilt Kopfschütteln als Zustimmung.
- Im arabischen Raum wird Ablehnung nicht durch Kopfschütteln ausgedrückt, sondern durch Schnalzen mit der Zunge.
- In der Schweiz gilt die Schulnote 1 als schlecht, während eine 6 als Bestnote unserem “sehr gut” entspricht – Ranglisten und Wertungen im Content, etwa in Testberichten oder bei Meinungsumfragen, sollten deshalb deutlich erklärt werden. In den USA werden dagegen Buchstaben für die Bewertungen vergeben. A (4.0, Excellent) oder A+ (4.3) beziehungsweise A- (3.7) stehen hier eine hervorragende Leistung. Schul- und Abschlussnoten, etwa im Rahmen von Bewerbungen und Job-Angeboten, müssen entsprechend umgerechnet werden.
Unterschiedliche Beziehungskulturen
Social Media greifen bestehende Sozialstrukturen auf, bieten aber auch neue, und sie sind durch einen extrem schnellen Wandel geprägt. Dabei wird häufig übersehen, dass die bereits bestehenden Beziehungskulturen des realen Lebens oft auch ausschlaggebend sind für die Art und Weise, wie die jeweiligen Menschen die Social Media nutzen.
- So ist im westlichen Bereich das direkte Nachfragen nach Likes, Shares, Re-Tweets und Re-Pins durchaus akzeptiert. Im orientalischen Raum dagegen sollte dies eher durch die Blume erfolgen und eben nicht unverblümt.
- In Venezuela oder Russland würde man auch für einen Freund bei der Polizei lügen, um ihm aus der Patsche zu helfen. In der Schweiz ist dies nahezu ein No-go.
Nationale sozio-ökonomische Kultur(zwänge)
Die sozio-ökonomische Kultur beinhaltet sowohl vorgegebene finanzielle Aspekte (Gesetze, Mehrwertsteuern) als auch wirtschaftliche Zusammenhänge und Sachzwänge (hohe Kaufkraft vs. hohe Arbeitslosenquote.
- So gelten seit 2015 neue EU-weite Bestimmungen für die Angabe und Einziehung der jeweils nationalen Mehrwertsteuer.
- In Luxemburg wurde Anfang 2015 der allgemeine Mehrwertsteuersatz von 15 auf 17 Prozent erhöht.
- In Frankreich wird seit 2011 auf Elektrogeräte und Möbel eine Öko-Beteiligung (éco-participation) erhoben, die auch mit ausgewiesen wird.
- Umrechnungskurse ändern sich täglich und sind ebenfalls einzubeziehen.
Diese Dinge sind nicht nur intern in der Buchhaltung zu berücksichtigen, sondern auch in der Preisgestaltung, in Angeboten, Warenkörben, Rechnungen etc. Dazu gibt es beispielsweise entsprechende Plug-Ins für WooCommerce. Möglicherweise müssen Sie auch damit rechnen, dass potenzielle Kunden die regional unterschiedlichen Preise hinterfragen.
Unterschiedliche Kaufkultur
Sofern die Social Media Marketing-Maßnahmen direkt in Kauf und Bezahlung münden, sind hier ebenfalls die regionalen Gegebenheiten mit einzubeziehen.
- Während in Deutschland noch immer Kauf auf Rechnung beliebt ist, ist in anderen Ländern die Kreditkarte das Zahlungsmittel der Wahl.
- PayPal wird zwar bereits vielerorts akzeptiert, ist in manchen Ländern wie Pakistan aber nicht verfügbar.
- Während im Westen Kauf eher auf der Basis von Identität stattfindet, ist in Japan eher Interesse ausschlaggebend.
Unterschiede in der nationalen Online-Kultur
Häufig wird unterstellt, dass das Internet überall gleich funktioniert und dass die Menschen, die sich darin bewegen, auch stets auf die gleiche Weise dort bewegen. Dies ist allerdings ein Trugschluss, der insbesondere im Marketing schnell teuer werden kann.
- Bei allem Hype zu Facebook, der etwa in Deutschland zu beobachten, wird zum Beispiel nicht beachtet, dass Facebook in Österreich eine weit weniger große Rolle spielt.
- In Taiwan dagegen erklärt sich der Erfolg von Facebook nicht aus der primär sozialen Interaktivität dieses Sozialen Mediums. Hier nutzen die Anwender den Dienst vor allem wegen der Möglichkeit, FarmVille spielen zu können.
- In Japan wiederum sind ganz andere Dienste angesagt, um sich miteinander zu vernetzen, etwa Mobage-town oder Mixi.
- Während in China Klarnamenpflicht herrscht, bevorzugen Japaner Pseudonyme.
- Japanische Nutzer verwenden lieber Avatare statt Fotos.
- Korea verfügt über das wohl schnellste Internet. Hier können bereits Millisekunden beim Laden einer Webseite für Frustration bei den Anwendern sorgen.
So spielen in vielen Ländern und Regionen auch speziell im Online-Verhalten sehr viele Faktoren eine Rolle. Diese Unterschiede sind im Allgemeinen meist weniger bekannt. Deshalb empfiehlt es sich, solche internationalen Social Media Marketing-Maßnahmen mit regionalen Insidern abzustimmen und nach Möglichkeit sogar auch an solche zu delegieren, natürlich in enger Abstimmung mit den eigenen Zielen und der Unternehmensphilosophie.
Über die Autorin: Ljubica Negovec ist die Geschäftsführerin der Übersetzungsagentur ALLESPRACHEN aus Graz. Seit 2011 hat das Unternehmen auch eine Zweigstelle in Wien, um den Großkunden noch näher zu sein.
Add A Comment